Wie Feinstaub das Immunsystem belastet
In den vergangenen Jahren konzentrierte sich die Forschung im Gebiet „Environmental Health“ hauptsächlich auf Wirkung von Umweltschadstoffen auf die menschliche Gesundheit. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse, in welchem Ausmaß äußere Einflüsse wie zum Beispiel Feinstaub unser Immunsystem beeinflussen, werden laufend publiziert, finden aber medial kaum Gehör.
In diesem Artikel habe ich einige Erkenntnisse zusammengefasst.
Luftschadstoffe – derzeitige Lage
Die zunehmende Belastung durch Luftschadstoffe, wie insbesondere Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid, gefährdet weltweit die Gesundheit. Die Weltgesundheitsorganisation hat zum Schutz der Gesundheit im Jahr 2005 globale Empfehlungen für Höchstwerte bezüglich Feinstaub (10 μg/m3 für Feinstaub kleiner als 2,5 μm (PM2,5)), Ozon und Stickstoffdioxid erstellt. Die empfohlenen Werte werden aber fast überall regelmäßig überschritten.
Diese Luftschadstoffe haben Auswirkungen auf den gesamten Körper, beginnend mit der Entwicklung im Mutterleib bis hin zu vorzeitiger Sterblichkeit aufgrund von Lungen- und Herzerkrankungen. Auch die krebsauslösende Wirkung von Feinstaub gilt mittlerweile als gesichert. Neuere Studien beschäftigen sich außerdem mit dem Zusammenhang von Sterblichkeit bei viralen Erkrankungen wie der Grippe und Luftverschmutzung.
Leider kann man nach derzeitigem Wissensstand zudem davon ausgehen, dass diese Schadstoffe auch unterhalb der gegenwärtig geltenden Grenzwerte schon zu Schäden führen.
Forschung im Überblick:
Experimentelle Forschung:
Mittels toxikologischer Experimente im Labor und kontrollierten Expositionen von Freiwilligen, werden gesundheitliche Auswirkungen der Luftschadstoffe aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften untersucht. Diese Forschungen liefern wichtige Informationen zur biologischen Wirkung im menschlichen Körper. Aussagen über das Risiko von Neuerkrankungen oder über Verschlechterungen von bestehenden Erkrankungen können von diesen Ergebnissen jedoch nicht abgeleitet werden. Kontrollierte Expositionsstudien am Menschen sind vor allem dazu geeignet, kurzfristige Veränderungen der Lungenfunktion oder Entzündungswerte zu untersuchen. Diese Untersuchungen werden meist nur an gesunden and belastungsfähigen Personen durchgeführt, um größere Schäden zu vermeiden.
Epidemiologische Beobachtungsstudien:
Um die kurz- und langfristigen Auswirkungen in verschiedenen Altersgruppen und Patienten abzuschätzen, werden große epidemiologische Beobachtungsstudien durchgeführt. Da in vielen Ländern inzwischen durch flächendeckende und kontinuierliche Luftschadstoffmessungen die Belastung der Bevölkerung gut erfasst wird, können Wissenschaftler heute ihre Auswirkungen tragischer Weise unter realen Bedingungen erfassen.
Untersuchung von Kurzzeiteffekten:
Hier werden vorrangig die täglichen Luftschadstoffwerte mit den täglichen Todesraten oder auch Einweisungszahlen für Asthma, Bronchitis, Herzinfarkte oder Schlaganfälle verglichen und Kurzzeiteffekte berechnet. Natürlich werden auch andere Risikofaktoren wie Temperatur oder Influenzaperioden berücksichtigt.
Eine weitere Methode bilden Panelstudien. Probanden werden hier im Abstand von Tagen oder Wochen immer wieder untersucht. Die Luftverschmutzungsveränderung wird mit der Änderung verschiedener physiologischer Parameter wie Lungenfunktion, Entzündungsmarker oder Blutdruck verglichen.
Forschung zu Langzeiteffekten:
Langfristige Gesundheitsauswirkungen aufgrund chronischer Luftschadstoffbelastung werden vor allem in Nordamerika und Europa durch große Kohortenstudien erfasst. Diese sind wissenschaftlich aufwendig und teuer aber sehr hoch in ihrer Aussagekraft. Diese Studien zeichnen sich durch ihre Datenvielfalt und Qualität aus. Hier werden sowohl Kinder und gesunde wie auch kranke Personen mit eingeschlossen. Sensible Biomarker und langfristige Expositionen können leichter erfasst werden.
Studienergebnisse:
Immunreaktion auf Feinstaub
Wenn sich Feinstaub in Lunge und/oder Bronchien ablagert, sorgt er dort dafür, dass Atemwegsbeschwerden entstehen oder sich verschlimmern. Bis vor Kurzem wusste man aber noch recht wenig darüber, wie genau sich das auf Stoffwechsel und Funktion der Körperzellen auswirkt. Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Holger Schulz und Dr. Tobias Stöger vom GSF-Institut für Inhalationsbiologie haben Experimente an Mäusen durchgeführt und konnten nun etwas klarer zeigen, wie sich die Zellen gegen die unliebsamen Eindringlinge wehren:
Jeweils acht Mäuse atmeten dafür in einer Inhalationskammer entweder vier oder 24 Stunden lang schadstoffbelastete Luft ein. Im Vergleich zu Mäusen, die saubere Luft atmeten, fanden sich verschiedene Signale der Zellabwehr. Je nach Dauer der Belastung waren diese deutlich erhöht.
Nach vier Stunden produzierten die Zellen des Lungengewebes hauptsächlich „Heat-Shock Proteine“. Diese werden vom Körper vor allem dann aktiviert, wenn Zellen unter Stress stehen und ihre Eiweißketten besonders empfindlich sind.
Nach 24 Stunden allerdings, steht nicht mehr der Schutz gegen Stress im Mittelpunkt. Der Körper zeigt nun Signale für eine entzündliche Reaktion.
Literatur dazu:
E. André et al: Inhalation of ultrafine carbon particles triggers biphasic pro-inflammatory response in the mouse lung. Eur Respir J. (28) (2006) 275-285.
T. Stöger und H. Schulz: Feinstaub bewirkt entzündliche Reaktion in der Lunge. Biol. unserer Zeit 1 (37)(2007) 12-13.
Feinstaub (Metallpartikel) in der Luft verstärkt Allergien
Die Annahme, dass vor allem Schwermetalle Asthma und Allergien bei Kindern verschlimmern, bestand schon über längere Zeit Den Beweis lieferte das Team um Prof. Dr. Dr. H.-Erich Wichmann und Dr. Joachim Heinrich zusammen mit mehreren Toxikologen im In- und Ausland. Das Ergebnis Ihrer Forschungen rund um ein Industriegebiet und Im Labor: Der Metallgehalt im Feinstaub beeinflusst offensichtlich die Schwere allergischer Atemwegserkrankungen.
Näheres zu dieser Studie:
J. Heinrich et al.: Trends in prevalence of atopic diseases an allergic sensitization in children in Eastern Germany. Eur Respir J 19 (2002) 1040-1046.
J. Heinrich et al.: Improved air quality in reunified germany and decreases in respiratory symptoms. Epidemiology 13, 4 (2002) 395-400.
Feinstaub weckt „schlafende Viren“
In Mitteleuropa tragen geschätzt über 95 % aller Personen ab 40 Jahren „schlafende“ Epstein-Barr-Viren oder andere Herpesviren in sich. Diese „schlummern“ latent zum Beispiel in B-Lymphozyten, aber auch Epithelzellen oder Makrophagen. Stress kann diese Latenz aufbrechen und zu einer Reaktivierung der Viren führen.
In dieser Studie wurden mit Herpesviren infizierte Mäusen mit Kohlenstoffnanopartikel oder auch -fasern belastet. Für Zellen bedeutet das, wie in der obigen Studie schon erkannt, eine Stresssituation. Bei den behandelten Mäusen konnten noch 28 Tage nach der Infektion virale lytische Proteine in der Lunge nachgewiesen werden. Dies ist ein Hinweis darauf, dass es zu einer Art Reaktivierung des Herpesvirus gekommen sein muss.
Zur Studie:
Springer Medizin. Weckt Feinstaub „schlafende“ Viren?. Pneumo News 9, 57 (2017). https://doi.org/10.1007/s15033-017-0672-2
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Die Liste ließe sich beliebig weiterführen. Fakt ist: Luftverschmutzung beeinträchtigt unsere Gesundheit und unser Immunsystem in hohem Maße und sollte sowohl politisch als auch von jedem und jeder einzelnen ernst genommen werden.